Eine Apotheke der team santé-Gruppe

I’m on Fire - Krimi von Gerhard Loibelsberger

Teil 1

„Plop!“ „Plop!“ „Plop!“

Die Kugeln der schallgedämpften Schüsse surrten ihm um die Ohren.

„Merda!“

Ein Projektil streift seinen Kopf. Brennt wie die Hölle. Nichts wie weg. Ein Sprung durchs Fenster in den Garten. Flanke über die Mauer. Ins Nachbarhaus rennen. Durch den Hausflur. Haustür aufreißen, hinaus auf die Fondamenta dei Toleolentini, über die Brücke. Durch die Gardini Papadopoli über eine weitere Brücke zur Pizzale Roma. Hinein ins Parkhaus. Stiegen hinaufhetzen ins zweite Obergeschoss. Beim Laufen Autoschlüssel aus der Tasche fischen. Auto entriegeln, Autotür aufreißen. Starten, Gas geben. Mit quietschenden Reifen die engen Kehren des Parkhauses hinunterschlittern. Griff ins Handschuhfach. Parkkarte herausholen. In den Automaten stecken, der Schranken schnellt hoch. Tritt aufs Gaspedal. Autobus schneiden, zickzack zwischen Touristen durch und hinaus auf den Damm, der Venedig mit dem Festland verbindet.

 

Im Kanaltal kommt bleierne Müdigkeit. Augen kaum mehr offen zu halten. Ankündigungstafel „Fell Est“. Etwas vom Gas. Fenster runterlassen.  Ganz runter. Kalter Fahrtwind streicht über Wunde am Schädel. Brennen. Beginnender Kopfschmerz. Kampf mit den Augenlidern. Offen halten, offen halten … Vafanculo! Schleudern. Weg von Gas. Schweißausbruch. Gerade noch geschafft. Das Fahrwerk der S-Klasse Limousine konnte die Konsequenzen des Sekundenschlafs gerade noch austarieren. Ausfahrt zur Autobahnstation „Fell Est“. Parkplatz suchen. Fenster rauf. Verriegeln. Hinein in die Raststätte. Sieht aus wie aus einem Flintsstone Movie.

„Un doppio, perfavore!“

Das schwarze dickflüssige Gebräu rinnt aufs Angenehmste die Kehle hinunter. Hunger. Un panino rustico e ancora un doppio. Danach aufs WC. Nach dem Pissen zum Waschbecken. Bordello di merda! Die Kugel hat ihm einen Seitenscheitel gezogen. Einen blutigen. Jetzt ist klar, warum ihn die Leute so komisch ansahen. Kopf unter den Wasserstrahl. Brennt teuflisch. Cazzo! Papierhandtücher. Vorsichtig abtupfen. Haare mit den Fingern zurechtzupfen. Wunde verdecken, so gut es geht. Hinaus. In den S-Klasse Benz. Starten. Gas geben. Weiter! Er braucht Desinfektions- und Verbandzeug. Arzt? Keine Option. Also Apotheke. Über die Grenze.  Es wird dunkel. Tankanzeige befindet sich auf Reserve. Ausfahrt Villach-Warmbad. Zur nächsten Tankstelle. Tanken. Ganz gleich, was die Luxuskarosse frisst, mit dem dicken Bündel Geldscheinen in der Tasche steht ihm die Welt offen. Navigationssystem einschalten. Apotheke mit Nachtdienst suchen. Ergebnis: Obere Apotheke, 10.-Oktober-Straße 4. Hinfahren. Abrupt bremsen. Fahrverbot. Fußgängerzone. Maledetta Austria!  Weiterfahren. Navi einschalten. Zurück auf die A2. Herumtippen. Nächste Apotheke mit Nachtdienst: Obelisk Apotheke, Klagenfurt. Wunde brennt wie nach einem Napalmangriff in Vietnam. Wieso ihm das einfällt? Hat er als Kind mitbekommen. Damals in Venedig. In Rai Uno. So hatte er Italienisch gelernt. Mit der Mama sprach er Deutsch und manchmal Wienerisch, mit dem Vater venezianischen Dialekt. Dahinrasen auf der Autobahn. Geistesblitz. Handy … Spotify … Bruce Springsteen … I’m on fire. Ausfahrt Klagenfurt-Wörthersee. Immer dem Navi nach. Endlich. Obelisk Apotheke. Im Halteverbot parken. Anläuten. Warten. Luke wird aufgemacht.

„Ja bitte?“

„Ho bisogno … äh … ich brauch dringenden etwas zum Desinfizieren … und einen Verband.“

„Was genau?“

„Ich habe eine Kopfwunde ….“

„Soll ich die Rettung rufen?“

„No! Perfavore! Ho bisogno di un … ich brauche Verband und was zum Desinfizieren.“

„Sind Sie Italiener?“

„Si. Alora! Aiuta me!“

„Gut, … gut …“

Warten. Warten. Warten.

„Also … da hab ich einmal einen Spray zum Desinfizieren der Wunde … und einen Wundverband sowie ein Haarnetz, das Sie sich über den Kopf ziehen, damit der Wundverband hält. Haben Sie mich verstanden?“

„Naturalmente. Meine Mutter war Wienerin.“

 

Zurück im Auto. Desinfektionsspray auf die Wunde. Santa Maria! Mullverband drauf. Haarnetz langsam rüberziehen. Gaaaanz langsam. Blick in den Rückspiegel. Fuck! Seh aus … come un matto. Auto starten. Wegfahren. Weg! Hinaus aus der Stadt. Bei der Auffahrt Klagenfurt Ost auf die Autobahn. Cazzo! Fast die falsche Richtung genommen. Ohrstöpsel rein und Bruce Springsteen … My Home Town … hämmerndes Blut … Wahnsinnsschmerz. Die Fahrstreifen verschwimmen … leichtes Schleudern … No Surrender … Navi einschalten. Eintippen. Vertippen. Scheiß Navi.  Fenster runter. Kalte Nachtluft. Neuerlicher Naviversuch. Ho bisogno un analgesico. Tacho auf über 200 … Dancing in the Dark … Navi spuckt Adresse aus. Team Santé Barbara Apotheke Wolfsberg. Schmerzmittel! Schmerzmittel! Schmerzmittel! Vado in fiamee … Springsteen röhrt … I’m on fire!